Bismarck auf Rügen - Buchcover

Historik-Buchtipp

„Die köstlich frischen Seeluft­bäder von Putbus“

André Farin beleuchtet Bismarcks erholsame und arbeitsreiche Wochen auf der Insel Rügen.

ISBN 978-3000767517

160 Seiten  16,50 €

Wussten Sie, warum Otto von Bismarck im Herbst 1866 gerade auf Rügen so schnell gesund werden konnte? Und dabei fast ohne Rotwein, fettes Essen und Zigarren auskam? Antworten gibt André Farin ich in seinem Buch „Bismarck auf Rügen“. Er hat es inhaltlich bearbeitet, mit zahlreichen historischen Aufnahmen versehen und jetzt im Eigenverlag neu aufgelegt.

Otto von Bismarck weilte nachweislich dreimal auf der Insel Rügen. Die beiden ersten Aufenthalte von 1838 und 1854 waren nur Tagesreisen, um den Fürsten zu Putbus und seine junge Residenz kennen zu lernen bzw. den preußischen König in der Krimkrise zu beraten.

Die dritte Reise nach Rügen im Herbst 1866 war zuerst als kurzer Ostsee­aufent­halt gedacht, um sich wie gewohnt von den Stra­pazen des Berliner All­tags zu erholen. Daraus wurden schließ­lich mehrere Wochen, da Bismarck so sehr erkrankte, dass an eine Rück­reise in die Haupt­stadt nicht zu denken war.

Gartenhaus Putbus

Gartenhaus Putbus

Der Lehrer André Farin unter­sucht die Putbusser Tage, die Bismarck hier mit seiner Frau Jo­hanna und der Tochter Marie ver­brachte. Dabei zeichnet er mit­hilfe von zahl­reichen privaten Briefen und anderen zeit­genössi­schen Doku­menten den Kur­verlauf nach. Er fragt nach den Umständen, die eine Gesun­dung beschleu­nigten und schon recht bald Bismarcks Teil­nahme an Jagden und kleineren Abend­gesell­schaften auf Rügen ermög­lichten.

Das vorliegende Buch beleuchtet auf 160 Seiten erst­mals in dieser Form den Aufent­halt des preußischen Staats­mannes auf Rügen, gibt Ein­blicke in das dama­lige Leben auf der Insel und begut­achtet die „Kur­bedingun­gen“ für den Grafen. Dieser lobte seinen Aufent­halts­ort und die „köstlich frischen Seeluft­bäder von Putbus“.

Bismarck im Jahr 1866

Bismarck im Jahr 1866

Der Autor stellt die histo­rische Bedeu­tung der „Putbusser Diktate“ dar, die inhalt­lich in die Ver­fassung des Nord­deutschen Bundes und die spätere deutsche Reichs­ver­fassung von 1871 ein­flossen. Dabei geht er auch auf den Mythos vom Ent­stehen des Ver­fas­sungs­textes in nur zwei Tagen ein.

Auszüge aus den Tages­zeitungen, amü­sante Anek­doten und Aus­sagen von Zeit­genos­sen be­rei­chern das Buch, das zugleich einen bild­haften Ein­blick in den Ort Putbus und dessen Um­gebung bietet, wo Bismarck die not­wendige Ent­spannung und Anre­gung für weg­weisende persön­liche und poli­tische Ideen fand.

André Farin

Bismarck auf Rügen

Seine Aufenthalte auf der Ostseeinsel „in Schmierstiefeln weit weg von der Zivilisation“

ISBN 978-3000767517

160 Seiten  16,50 €

Leseprobe

3. Mehr als ein Erholungs­urlaub an der Ostsee

„Wenn er aber still sitzt, im blauen Himmel und grüne
Wiesen sieht und Bilder­bücher blättert, geht’s leidlich gut.“

Otto von Bismarck reiste am 26. September nach Karlsburg bei Greifswald, wo er seinen Cousin Friedrich von Bismarck-Bohlen besuchen wollte. In dem Karls­burger Schloss mit all seinen Annehm­lich­keiten machte es sich der Reisende bequem, denn er kannte sich hier gut aus. Von Herbst 1838 bis Sommer 1839 hielt er sich näm­lich wäh­rend seiner Dienst­zeit im Pommer­schen Jäger­bataillon in Greifswald oft auf dem Schloss auf. Hier wartete er nun auf seine Frau Johanna, die mit den Kindern zum Beginn der Schul­ferien am 29. September nach­kommen sollte. Sie beeilte sich, da sie in Berlin die Nach­richt von Bismarcks Erkran­kung erreichte. „Matt, ange­griffen und appetit­los“ fand sie ihn vor und hatte den Ein­druck, dass die große Politik bei ihm „Wehmuts- und Ärger­gefühle“ erregte: „Wenn er aber still sitzt, im blauen Himmel und grüne Wiesen sieht und Bilder­bücher blättert, geht’s leidlich gut.“1

Bereits hier unter­suchte ihn der Sani­täts­rat Dr. Heinrich Struck am 2. Okto­ber gründ­lich und mit der Empfeh­lung abso­luter Ruhe und Ent­spannung, bevor die Bismarcks mit ihrer 18jährigen Tochter Marie nach Rügen weiter­reisten. Bevor die beiden schul­pflichti­gen Söhne nach Berlin zurück­gebracht wurden, genos­sen sie ein paar Tage die Insel. Sie besuch­ten die Stubben­kammer und zweimal das Jagd­schloss Granitz, wo sie der Putbusser Fürst sehr liebe­voll auf­genom­men hatte.2

Vor Reisebeginn nach Pommern zeich­nete sich nicht ab, dass gerade Rügen dafür geeig­net war, genü­gend Kräfte für zukünf­tige poli­tische Auf­gaben zu sammeln. Die länd­liche Ruhe, eine be­ein­druckende Insel­land­schaft und die Für­sorge der fürst­lichen Familie zu Putbus sorgten für eine ent­span­nende und anre­gende Atmosphäre. Im Bismarck-Roman des Schrift­stellers Karl Bleibtreu finden wir eine Text­passage, die von den Wochen auf der Insel Rügen erzählt und die wich­tigsten Akteure zwischen Ruhe­phasen und Politik­gedanken benennt und agieren lässt. Die Passage aus dem vier­bändi­gen Werk wird im Anhang über­nommen. Erstaun­lich ist, wie viel der Autor aus zeit­genös­sischen Quellen und späteren Unter­suchungen über Bismarcks letzten Putbus-Besuch von 1866 erschlos­sen hat, um so detail­liert neben epischen Anteilen immer auch biogra­fische Inhalte zu ver­mitteln.3

Fürst Wilhelm zu Putbus konnte den beson­deren Gast aus Berlin nicht zu sich auf das Schloss einladen. Dieses war im Dezem­ber 1865 abge­brannt und wartete auf einen Neu­aufbau. Die fürst­liche Familie wohnte in dieser Zeit in dem Garten­haus in der Nähe des kreis­runden Platzes Circus und gleich neben dem fürst­lichen Küchen­garten.4 Sein Groß­vater, Wilhelm Malte zu Putbus, hatte es 1828/1829 von dem Berliner Archi­tekten Johann Gottfried Steinmeyer im klassi­zistischen Stil errichten lassen. Es ent­stand anstelle des alten Krug­gebäudes im ältesten Teil des Putbusser Parks und war anfangs für den fürst­lichen Gärtner vor­gesehen.5 Der Fürst ent­schied sich, die Bismarcks hier unterzu­bringen, denn das „Hotel du Nord“ am Circus war alles andere als geeignet für einen erhol­samen Urlaub.

Johanna von Bismarck kam ins Träumen, als sie von diesem Umzug schrieb, denn das Hotel war für sie der „scheuß­lichste Gast­hof mit ewigem Lärm – im tollsten Kriegs­gewühl kann kein ärgerer Skandal sein – Wagen­gerassel ohne Ende, klapp­rige Fenster, undichte Türen, es war grässlich.“6 Das Ständ­chen, das dem hohen Gast der hiesige Männer­gesangs­verein am Abend der Anreise brachte, konnte ebenso so wenig in dieser Situa­tion helfen wie die feier­liche Begrüßung durch den fürst­lichen Rendanten Herrn Olfe, der „dem Gefühl der Ver­ehrung für den Staats­mann in einer Ansprache Aus­druck“ verlieh.7

In dem fürst­lichen Garten­haus war alles anders, auch wenn es nur einige Schritte von dem Hotel und der wohl stark befah­renen Straße nach Mönch­gut ent­fernt lag. Es befand sich „in tiefer Abge­schieden­heit zwischen grünen Hecken, Wein­ranken, herbst­lichen Rosen, mit dem Blick ins Meer hinein – aufs beste verpflegt von Koch, Diener und Mädchen.“8

Fußnoten

1 KEUDELL 1901. S. 313 f. Johanna von Bismarck berich­tete Robert von Keudell über ihre Gedan­ken, die sie am 30. September 1866 bewegten: „Je näher wir Karlsburg kamen, je mehr ängstigte ich mich, es könne recht schlecht­gehen… war über­selig, als ich ihn außer dem Bett und lange nicht so schlimm fand wir man nach Fritz‘ /Bismarcks Cousin – d. A./ Jammer­gericht vermuten kann.“ Dass. S. 314.

2 KEUDELL 1901. S. 316. Den Bismarck­söhnen Herbert und Wilhelm gefiel es auf der Insel sehr, wie die Mutter zu berichten wusste: „Die Jungen sind in steter Ekstase über die lieben Menschen.“

3 Vgl. BLEIBTREU 1915. Der Aus­zug stammt aus Kapitel 24 des zweiten Bandes.

4 Das Garten­haus der fürst­lichen Familie zu Putbus wurde zunächst als „Gärtner­haus“ mit einer Woh­nung für Be­dienstete konzi­piert und genutzt. Nach dem Brand des Schlosses zu Putbus im Dezem­ber 1865 wurde es als Wohn­haus der fürst­lichen Familie einge­richtet. Später wohnte hier Fürsten Löwen­stein, nach der das Gebäude den Namen „Villa Löwen­stein“ trug. Nach dem Krieg wurde vor der Villa im Jahr 1954 ein Rosen­garten an­gelegt, in dem enteig­neten Gebäude eröff­nete die Handels­organi­sation Konsum 1957 ein „Rosen­café“. Im fort­laufen­den Text wird der Einfach­heit halber vom Garten­haus gesprochen.

5 Eine ausführ­liche Beschrei­bung der Entste­hung und bau­lichen Besonder­heiten des Gärtner­hauses wird vor­genom­men in der Arbeit von Andreas VOGEL 2003, S. 84-85. Zudem sind hier zwei Ent­würfe des Berliner Archi­tekten und die erforder­lichen Kosten­auf­stellun­gen zu finden, die sich heute in der Plan­kammer der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Branden­burg befinden.

6 KEUDELL 1901. S. 315.

7 LOEBE 1910. Vgl. S. 50.

8 Dass. S. 315.

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André Farin beschäftigt sich detail­liert mit der politi­schen Arbeit Bismarcks, die wäh­rend der Zeit seines mehr­wöchi­gen Aufent­halts in Putbus nicht ruhte … Der Autor unter­warf sich der großen Mühe, die Texte der beiden Ver­fas­sungs­texte (1866 und 1871) mit­einander zu ver­gleichen, um – wie er schreibt – den Anteil der ideen­reiche Kur­tage auf der Insel Rügen zu ermitteln.

Stralsunder Stadt­archivar Dr. Andreas Neumerkel