Lauterbach - Seebad, Hafen, Bootsbau

Geheimtipp

Rügens erstes Seebad

Die Neuauflage einer besonderen Chronik erschien im Sommer 2017

ISBN 978-3-00-036509-6

94 Seiten  13,50 €

„Gefragt nach dem ältesten Seebad auf der Insel Rügen, denken viele an Binz. Warum auch nicht? Das Ostsee­bad hat spätestens mit dem nach der Wende von 1989 ein­setzen­den Bau­boom nicht nur den ersten Rang im Bereich der Betten­zahlen, sondern bleibt nach wie vor der Ort, den fast jeder Tourist von heute einmal gesehen haben will, wenn er hier gewesen war. Da kann man sich fast nicht vor­stellen, dass es vor 200 Jahren im Süden Rügens einen Ort gab, in dem eigent­lich der Bade­touris­mus Rügens begon­nen hatte, näm­lich in Lauterbach-Neuendorf.“

Mit diesen Worten macht der Autor André Farin auf sein neu aufgelegtes Buch „Lauterbach. Rügens ältestes Seebad. Hafenort. Bootsbau­tradition“ aufmerksam, mit dem er über ein Thema schreibt, das bislang nur nebenbei oder gar nicht bearbeitet oder gar beachtet worden war. Das 100. Jubiläum des Hafen­baus nahm er zum Anlass, um über einen Ort auf Rügen zu schreiben, der auf eine bemerkens­werte Geschichte ver­weisen kann.

Badehaus Goor bei Lauterbach

Das Badehaus Goor bei Lauterbach

Auf 94 Seiten gibt er im vorlie­genden Buch einen Über­blick über die Ent­wick­lung des See­bades von einem reinen Bade­ort, ange­legt und stets geför­dert vom Fürsten Wilhelm Malte zu Putbus, bis zu dem bekannten Hafen, der an der Jahr­hundert­wende zum 20. Jahr­hundert an dem Platz ent­stand, wo zu­nächst nur eine fürst­liche Landungs­brücke existierte. Der Enkel des Fürsten, Wilhelm zu Putbus trat 1901 als Bau­herr des Hafens in Erschei­nung und setzte die Tradi­tion seines Groß­vaters als Investor in der eigenen Herr­schaft fort.

Die Veröffent­lichung gewährt Ein­blicke in das Leben von Menschen, die in und mit dem Hafen ihre Existenz auf­bauen konnten und erzählt beispiel­haft von einigen Fischern, Schiffern und Boots­bauern. Da dürfen natür­lich auch Menschen, die wegen ihres Auf­tretens, ihres ständigen Engage­ments für andere und ihrer speziellen Eigen­heiten zu Origi­nalen geworden sind, nicht fehlen. Auch die Jahre nach 1989 und der­zeitige Vor­haben fehlen in der Publi­kation nicht. Die sich durch das Buch ziehende Chronik gibt einen geschicht­lichen Über­blick über Lauter­bachs Ent­wick­lung von 1809 bis 2002.

Hervorzuheben sind die im Buch enthal­tenen Kindheits­erinne­rungen der geborenen Lauter­bacherin Marlene Lübbe, deren Vater vor dem 2. Welt­krieg die dortige Fisch­konserven­fabrik leitete. Vor allem die 1930-er Jahre sind Gegen­stand ihres Berichtes, der mit wert­vollen Bildern aus dieser Zeit sehr anschau­lich einen Aus­schnitt aus der Geschichte des Hafen­ortes gibt. Ähnlich wie alle anderen schwarz-weißen Fotos, die größten­teils zum ersten Mal mit dieser Publi­kation ver­öffent­licht werden.

André Farin

Lauterbach

Rügens ältestes Seebad. Hafenort. Bootsbautradition.

ISBN 978-3-00-036509-6

94 Seiten  13,50 €

Leseprobe

Die Plage mit Rügens Seehunden

Fischer klagen über Seeräuber in Bodden und Ostsee

Immer wieder, wenn die Lauter­bacher Fischer vom Eis­angeln kamen, beklag­ten sie sich zu Hause über die See­räuber, gegen die keiner ankam: die See­hunde. Das muss­ten sie vor 100 Jahren mal dem Redakteur des Rügen­schen Kreis- und Anzeige­blattes erzählen, der prompt eine Meldung für die übrigen Leser des Kreises formu­lierte und zur Jagd auf die Robben­art mobil machte.

Dabei kannten die Rüganer das Problem schon seit Jahr­zehnten, wie Ernst Boll 1858 in seinen Reise-Erinne­rungen von Rügen zu berich­ten wusste. Auf der Insel nannte man die Fisch­räuber „de Sähl“, ver­wandt mit dem engli­schen „seal“ oder dem schwedi­schen „själ“. Während man die See­hunde den Sommer über an der Küste nicht zu Gesicht bekam, stellten sie sich zum Ver­druss der Fischer im Herbst und Früh­ling ein, wenn die Herings­zeit begann.

Boll erzählt von den Über­raschun­gen, welche die Fischer morgens beim Ein­holen der Netze erleb­ten: „Wenn näm­lich .. die Manzen (große Netze, in deren Maschen sich die Heringe mit den Köpfen fangen) aus dem Wasser gezogen werden, ereignet es sich wohl, daß man nur eben die Herings­köpfe darin findet, indem während der Nacht See­hunde hinter den Netzen entlang geschwom­men sind und alle Heringe, bis auf diesen in den Maschen stecken­den Über­rest ver­zehrt haben.“ Kein Wunder, dass der Ärger der Fischer wuchs, denn die Herings­reste konnten sie nur noch als Acker­dünger gebrauchen.

Von dem Wunsch nach einer ver­stärk­ten Jagd auf die süd­lich von Rügen auf­tauchen­den See­hunde lesen wir in einer Zeitungs­meldung aus Lauter­bach (Rügen­sches Kreis- und Anzeige­blatt, 05. November 1899): „All­jähr­lich kehren die Klagen der Fischer aus Lauter­bach wieder, über die Unzahl von See­hunden, die während des Hoch­som­mers und Herbstes ja selbst im Winter unsere Gewäs­ser heim­suchen. Wenn man erwägt, wie viele Häringe von dem Raub­gesindel vertilgt werden, das vor­nehm­lich von den ausge­stellten Netzen die Härnige abreißt und frißt, erschei­nen die Klagen wohl berechtigt. Außer­halb z. B. an der dänischen Küste, wo der See­hund eben­falls bekannt ist und haust, sind zur Vertil­gung des­selben von den Behörden Büchsen zu einem ganz billigen Preise an die Fischerei­bevölkerung vertheilt worden. Auch wird seit dem Jahre 1890 daselbst eine Prämie für jeden erlegten See­hund ausge­zahlt. Es mag dabei ange­führt werden, daß seit 1890 bis Ende 1898 11.424 See­hunde erlegt wurden, wofür 34.272 Kronen an Schieß­prämien ausge­zahlt worden sind… Dies bei unseren Behö­rden anzu­regen, soll auch der Zweck vorste­hender Zeilen sein.“

Wie am 24. Januar 1901 gemeldet wurde, trieben die See­hunde den Fischern einen noch tolle­ren Streich: Von ihren freien Stellen im Eis („Waken“ genannt) aus schwam­men sie zu den Löchern, welche die Fischer zum Hecht­angeln geschlagen hatten. Hier bedien­ten sie sich dann an den Fängen, die den Fischern nicht mehr ver­gönnt sein sollten. Sie schwammen zu den Hecht­angeln und bedienten sich dort, indem sie die darin hängen­den Bleie viel­fach an- und ab­fraßen. „Beim Auf­holen der Angeln seitens der Fischer verfolgt der See­hund nicht selten den leben­digen Blei bis vor das Angel­loch und ver­schwindet dann eiligst, so daß der betref­fende Fischer ihm mit dem soge­nannten Huker nicht bei­kommen kann.“ Griebens Natur- und Kunst­führer für Rügen (1925) ergriff sogar Partei und ließ mit einem schmun­zelnden Auge die Beraubten zu Wort kommen: „Einige Hunde, die dann wie zum Hohn ihre blanken Köpfe und blöden Augen in einiger Ent­fer­nung vom Boot auf­tauchen lassen, haben die Netze ein­fach abge­lesen.“

Für viele wurde es damals zur Selbst­ver­ständ­lich­keit, dass man das Meeres­tier jagte. Von Mönch­gut wissen wir, dass die gefürch­teten und mit allerlei aber­gläubischen Ritualen verbun­denen See­hunde sogar in großen Bügel­reusen gefangen wurden. Bald löste das Gewehr die Riesen­reuse ab. Ende der 1890er Jahren finden wir in den Tages­zeitungen häufig Nach­richten von erlegten See­hunden an der Küste Rügens, Jubel­rufe der Fischer ein­ge­schlos­sen. Jeden Ab­schuss ver­buchte der Schütze als einen Erfolg für die Fischer­zunft. Immer­hin lebten um 1901 über 690 Insu­laner von der See- und Küsten­fischerei.

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André Farin macht mit seinem neu aufge­legten Buch auf ein Thema auf­merk­sam, das bis­lang nur neben­bei oder gar nicht bear­beitet oder gar beachtet wurde. Das 100. Jubiläum des Hafen­baus nahm er zum Anlass, um über einen Ort auf Rügen zu schreiben, der auf eine bemerkens­werte Geschichte ver­weisen kann.

Ostsee-Zeitung