Schaurig-schönes Rügen - Buchcover

Buchtipp für die Insel

Schaurig-schönes Rügen

André Farin erzählt von Steinzangern, Schatzsuchern und schießenden Jungfrauen.

ISBN 978-3-00020513-2

127 Seiten  11,50 €

Große deutsche Namen und die größte deutsche Insel stehen im Mittel­punkt des Buches „Schaurig-schönes Rügen“ von André Farin. 30 Geschichten geben einen Ein­blick in die wechsel­volle Historie von Rügen.

Handelnde Personen, beschrie­bene Orte und geschil­derte Ereig­nisse fand der Autor nicht in den vielen Rügen­chroniken oder farb­reichen Bild­bänden, sondern meist zwischen den Zeilen, wie man so schön sagt. Es handelt sich dabei auch um Gescheh­nisse, die in bis­herigen Unter­suchun­gen keine große Rolle spielten, aus heutiger Sicht aber in die Betrach­tungen Ein­zug halten sollten. Denn alle haben in bestimmter Weise auch Bezüge zur „großen deutschen Geschichte“ oder spiegeln Entschei­dungen, Bemü­hungen oder Ideen daraus wieder.

Das Buch bietet einen Blick in die Biographien großer deutscher Persön­lich­keiten wie Goethe und Schiller, die Bezie­hungen zu Rügen unter­hielten, auch wenn sie selbst nie im deutschen Norden weilten. Wissen­schaftler wie die Gebrüder Humboldt besuchten die Insel und hinter­ließen mit Tage­buch­auf­zeich­nun­gen und Briefen wert­volles Material für Rügen­forscher. Der Autor Theodor Fontane verlegt nach einem Rügen­aufent­halt eine Episode seines Romans „Effi Briest“ hierher.

Grafik aus dem Buch Schaurig-schönes Rügen

Grafik aus dem Buch „Schaurig-schönes Rügen“

In 30 Kapiteln erfährt der auf­merk­same Leser etwas von emanzi­pierten Mönch­guterin­nen, um sich schießen­den Insel­besitzerin­nen oder einer der berühmten Literatur­gestalten, die auf Rügen Trost und Entspan­nung suchten. Ant­worten werden gegeben auf die Fragen, warum man den Hiddensee­damm nicht anstelle des Rügen­dammes baute oder wes­halb die Fischer der Insel die See­hunde aus­rotteten.

Ein fast vergessener Berufszweig steht ebenso im Mittel­punkt einer Geschichte wie das Schick­sal des Malte Ludolph von Velt­heim und Herr zu Putbus, der als Opfer des National­sozialismus im Konzen­trations­lager Sachsen­hausen ermordet wurde. Wunder­same Sagen und alt­bekannte Bräuche bilden wiederum den Aus­gang für andere Ein­blicke in die Vergan­genheit der Insel Rügen.

Das Buch soll nicht allein ein Stück Historie aus vielen rügen­schen Dörfern und Städten wider­spiegeln, sondern auch beweisen, welche außer­ordent­liche Rolle das Eiland in jedem der zurück­liegen­den Jahr­hunderte spielte. Manch­mal diente es als Zank­apfel zwischen rivalisie­renden Fürsten, andere nutzten es als militä­rischen Stütz­punkt oder eben nur als Ort der Erho­lung und Besin­nung.

Der Autor bietet dem Leser einen Ein­blick in mehr als 500 Jahre Rügen­geschichte, indem er einige der größeren und großen Höhe­punkte heraus­greift und anschau­lich erzählt. Einen besonderen Wert bekommt das bei Rügen­druck produ­zierte Werk durch die Illustra­tionen der Rügener Malerin Gabriele Taube, die unter anderem auch in der Heimat­stadt des Autors in unter­schied­lichen Ausstel­lungen zu sehen ist.

André Farin

Schaurig-schönes Rügen

Von Steinzangern, Schatzsuchern und schießenden Jungfrauen

ISBN 978-3-00020513-2

127 Seiten  11,50 €

Leseprobe

Express-Verbindung mit Hiddenseedamm?

1900 sollte die Eisenbahn über Vitte nach Stockholm fahren

Gerade hatten die deutschen Eisen­bahner im Mai 1897 stolz die Post­dampfer­linie von Sassnitz nach Trelleborg eröffnet, da forderten die Schweden von ihren Kollegen, sie mögen die Fahr­zeit der Bahn von Berlin nach Sassnitz auf drei bis vier Stunden ver­kürzen. Wieder herrschte Planungs­stim­mung in den Regierungs­büros beider Seiten, die verschie­dene Ideen im Rügen­schen Kreis- und Anzeige­blatt disku­tierten.

Einig waren sich die Experten, dass end­lich eine feste Eisen­bahn­brücke nach Rügen her musste, die den zu teuren Trajekt­betrieb ablöste. Der Dampfer „Prinz Heinrich“, der seit 1883 die Eisen­bahnen von Stralsund nach Rügen trans­por­tierte, reichte schon lange nicht mehr aus, denn er war nur 36 Meter lang und fasste nicht mehr als drei Eisen­bahn­waggons. Insge­samt nur 250 Fahr­gäste konn­ten befördert werden. Das genügte bei weitem nicht mehr den moder­nen Vor­stellun­gen eines schnel­leren und komfor­tableren Reise­verkehrs. Da nützten auch nicht die Be­schwer­den von 32 Fähr­genossen, die das Köni­greich Preußen sogar wegen angeb­licher Geschäfts­schädi­gung verklagen wollten. Sie wurden mit einer einm­aligen Abfin­dung abge­speist. Auf höherer Ebene began­nen jetzt Debatten, als drei Varian­ten für eine mög­liche Brücke ins Spiel gebracht wurden, an welchem Stand­ort die Brücke entstehen sollte.

Ein Lager favorisierte eine Brücke zwischen Neuhof und Prosnitz, die günstiger sein sollte als zwischen Stahlbrode und Glewitzer Fähre. Mit einer neuen Linien­führung der Eisen­bahn von Prosnitz über Garz, Putbus und Zirkow nach Sassnitz wollte man Schwierig­keiten bei Bergen und Lietzow umgehen. Hier musste beispiels­weise das eine Gleis ausge­tauscht und um ein zweites ergänzt werden, um die Zug­frequenz zu erhöhen. Und so schön die Strecke über Zirkow und durch die Schmale Heide auch be­schrieben wurde, so bemerkten Skeptiker doch das hüglige Gelände bei Zirkow und fragten, ob da wohl der Zug in Eilzu­ggeschwindig­keit durch­rasen könnte. Außer­dem hatten die Ort­schaften bis Putbus einen Hafen, der den Fracht­verkehr auf der Bahn­verbin­dung herab­mindern würde. Schließ­lich fahre in der Gegend seit 1895 die Klein­bahn, die sich eher als Kon­kurrenz­linie erweisen würde. Bis 1899 war nämlich der Schienen­strang von Putbus aus über Binz, Sellin und Baabe bis nach Göhren auf Mönch­gut erwei­tert worden.

Deshalb sparten sich die Experten die Prüfung der Bau­kosten an dieser Stelle und prüften nun den Bau von zwei Däm­men. Einer davon sollte der Damm nach Rügen sein, der zweite – man lese und staune – war für die Insel Hidden­see gedacht. Nun begannen die Mes­sungen und Berech­nungen, die mit einem erstaun­lichen Ergebnis endeten. Der Bau eines Hiddensee­dammes wäre zwar genauso teuer wie eine ver­gleich­bare An­bin­dung nach Rügen und würde auch so lange dauern, aber die Fahr­zeit hätte um eine Stunde ver­kürzt werden können. Bei einer idealen Ver­bin­dung würde der Zug von Berlin nach Sassnitz (über Prosnitz) 3,75 Stunden, von Berlin über die Nord­bahn nach Vitte nur 3,5 Stunden brauchen. Die Strecke unter­schied sich um gut 30 Kilo­meter. Die andere halbe Stunde Gewinn sollte durch die kürzere See­fahrt von Vitte nach Trelleborg erreicht werden.

In einer Bauzeit von zwei Jahren wollte man die Eisen­bahn­verbin­dung über Hidden­see fertig stellen. Für 2,5 Millio­nen Mark sollte der Damm über die Sand­bank „Geller­haken“ ge­schüt­tet und für weitere 1,5 Millio­nen Mark der Hafen von Vitte aus­gebaut werden. Nach­dem die Eisen­bahner ihre Vor­stellun­gen geäußert hatten, meldeten sich außer­dem die Militärs und Tourismus­unter­nehmer zu Wort. Die militä­rische Bedeu­tung der Hafen­anlage von Vitte war nicht zu unter­schätzen, ähnlich wie der Bau einer Eisen­bahn­strecke auf Hiddensee, denn die Insel war im Unter­schied zu den Ostsee­bädern Rügens nicht erschlossen und damit benach­teiligt. Der Bade­strand der Hidden­seer sei doch um ein Viel­faches schöner, weshalb die Insel­patrioten forderten:

„Würde Hiddensee durch eine Bahn zu einem Badeort, dann wäre der Kranz lieblicher Bäder, die die Perle der Ostsee, unser schönes Rügen, umringen, geschlossen.“

Das liebe Geld reichte vor 100 Jahren für keinen der beiden Dämme. Das verträumte Hiddensee blieb glück­licher­weise ohne Bahn­anschluss. Und bis Rügen seinen Damm bekam, sollten noch einmal über 30 Jahre ins Land gehen. Solange investier­ten die Eisen­bahner in sechs weitere Fähr­schiffe, die Tag und Nacht pendeln mussten, um den Anfor­derungen zu genügen. Erst im Oktober 1936, nach einer gut fünf­jährigen Bau­zeit der Brücke über den 600 Meter breiten Sund, rollte der erste Zug über den Rügen­damm.

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Der Lehrer und Autor André Farin hat in den zurück­liegenden Jahren interes­sante Episoden der Insel­geschichte gesam­melt, wie zum Beispiel von schießenden Jung­frauen, See­leuten, die auf Steinfang gehen oder Menschen mi dem zweiten Gesicht.

Antje Rohm, Volksstimme