Zur Sommerfrische an die Ostseeküste - Buchcover

Aktueller Buchtipp

Zum Baden in die Sommerfrische

André Farin beschreibt die Anfänge und die Blütezeiten der Seebäder von Rügen und Hiddensee.

ISBN 978-3-00-068129-5

189 Seiten  22,50 €

Sommerfrische nannten die Touristen vor gut 200 Jahren ihr Reise­ziel an der Ost­see, mit dem sie einen erhol­samen Urlaub am Meer ver­banden. Auf den Inseln Rügen und Hidden­see ent­standen zwischen 1815 und 1915 die meisten dieser sommer­frischen See­bäder, die sich bis heute zu attrak­tiven Stand­orten zum Erholen, Abschalten und Ent­spannen ent­wickelt haben. André Farin, Lehrer und Histo­riker auf Rügen, geht in seiner kleinen Geschichte dieser Bade­orte ver­schie­denen Fragen nach, die sich mit dieser Ent­wick­lung ver­binden.
Badeanstalt Altefähr

Badeanstalt Altefähr

Wer waren die ersten Gast­geber und wie gelang es ihnen, die Gäste in den Norden zu ziehen? Was machten die Urlauber am Meer, wenn sie nicht baden oder prome­nieren gingen? Oder wer profi­tierte eigent­lich von den in einem Jahr­hundert geschaf­fenen Bade­orten an unter­schied­lichen Stand­orten der Ostsee­küste? Das sind nur drei Fragen, die in der Samm­lung von geschicht­lichen Ereig­nissen und Geschichten eine Rolle spielen.
Am Strand von Göhren

Am Strand von Göhren

Nach einem kurzen histo­rischen Abriss der Bäder­entwick­lung wird der Leser exkurs­artig zu den verschie­denen Schwer­punkten der Bäder­geschichte mit­genom­men, bis schließ­lich aus jedem der 17 See­bäder eine kleine Geschichte erzählt wird. Zahl­reiche zeit­genös­sische Foto­grafien und Post­karten sowie die wich­tigsten Chronik­daten, Literatur­angaben und Personen­hinweise ergänzen das vor­liegende Werk, das in keinem Bücher­regal von Insel und Fest­land fehlen sollte.

André Farin

Zur Sommerfrische an die Ostseeküste

Kleine Geschichte der Seebäder der Inseln Rügen und Hiddensee
Über die Anfänge und Blütezeiten (1815-1915)

ISBN 978-3-00-068129-5

189 Seiten  22,50 €

Leseprobe

Exkurs: „Kurkarten­­zwang“ in Rügens Seebädern

Kreative Bade­­direktionen kalkulierten schon im 19. Jahr­hundert eigene Gebühren

Über Sinn und Unsinn der Kur­taxe wird an der Ostsee­küste immer disku­tiert. So auch auf der Insel Rügen, wo Bade­gäste diese Abgabe schon lange zahlten, bevor sie der preußische Gesetz­geber fest­geschrie­ben hatte.

Im Juli 1893 nämlich ver­abschie­dete der preußische Land­tag das Kommunal­abgaben­gesetz und erlaubte damit bestimmten Gemeinden ab Januar 1895, eine Kur­abgabe zu erheben. Diese im § 12 geregelte Ver­gütung sollte „für die Her­stellung und Unter­haltung der zu Kur­zwecken getrof­fenen Veranstal­tungen“ dienen. Die Touristen bekamen im Gegen­zug eine Kur­karte, die als Quittung und als „auf den Namen lautendes Legitima­tions­papier“ galt. Damit durften sie auch an den für „Kur­gäste reser­vierten Veran­staltungen“ teil­nehmen und ausge­wählte Einrich­tungen besuchen.

Erste Nachrichten von kurtax­pflichtigen Orten der Insel Rügen finden wir bereits in Reise­führern der 1880er Jahre. Wie in dem von Hermann Dunker 1887 in Bergen ver­öffent­lichten Rügen­heft. Darin werden Sassnitz, Lohme und Göhren erwähnt, die eine Kur­taxe von 3 Mark pro Person kassierten; Familien zahlten zwischen 5 und 6 Mark. In Sassnitz galt für einige Jahre die Regel, dass ein Aufent­halt bis zu 8 Tagen frei war. Trotz­dem gab es dort schon erste Kritik an dem System, wie wir in einer Reise­beschrei­bung lesen:

„Die Kurtaxe wird für das Halten des Bade­arztes erhoben; für Verschö­nerungen wäre sie un­gerecht­fertigt, denn für diesen Zweck geschieht seit Jahren wenig.“

Man sprach in dem Zusammen­hang auch von „Passanten“, die nur für eine Nacht in dem Ort weilten und dennoch die Kur­abgabe zahlen mussten.

Das neue Gesetz brachte für die verär­gerten Reisen­den, unzufrie­denen Gast­geber und klammen Bade­direktio­nen keine wesent­lichen Ände­rungen oder Verein­fachungen. Denn die Höhe der zu zahlenden Abgabe durften die betrof­fenen Gemein­den selbst festlegen – je nach Aufwand und Bedarf. Gerade aus diesem Grunde variierten die Bezeich­nungen dafür. Während man offiziell von Kur­taxe sprach, fanden manche Insel­orte verein­fachende oder wohl­klingende Namen wie „Zuschuss­miete“ in Breege, „Verwaltungs­beitrag“ in Göhren oder „Herbergs- und Bett­steuer“ in Putbus. Daher ver­wundert es auch nicht, dass sich in allen Bade­orten an Rügens Ost­küste inner­halb von nur 20 Jahren ganz eigene und orts­spezi­fische Kurtax-Tarife ent­wickelten. In „Griebens Reise­führer“ der Saison 1914/1915 werden diese in den Dar­stel­lun­gen der sehens­werten Ort­schaften genau aufgelistet. In Sassnitz zum Beispiel zahlten „alle Fremden vom 15. Juni bis 15. Sep­tember für jede Nacht 50 Pfennige“ und konnten sich sicher sein, dass diese Pflicht nach „12 Zahlungs­tagen“ endete.

In anderen kleineren Orten lag die Kur­taxe bei 6 Mark für einzelne Personen und wurde am 3., 4. oder 5. Tag des Aufent­halts fällig. Von diesen Rege­lungen erfahren wir aus den Bade­orten Sellin, Baabe, Göhren, Thiessow und Wiek.

In Sassnitz befreite man einige Orts­gäste von der Abgabe: „Ärzte und deren Familien, Beamte, Gewerbe­treibende in Aus­übung ihres Berufs, Schüler mit beglei­tendem Lehrer, Kinder unter 10 Jahren und Dienst­boten.“ In anderen Orten wie Putbus und Lauter­bach wurde teil­weise keine Kur­abgabe erhoben. Aus dem ältesten See­bad der Insel lesen wir von einer beson­deren Idee der Gast­geber: „Jeder ankom­mende Badeg­ast erhält ein Ständ­chen, für welches er nach Belieben zahlt.“ Den kleinen Kultur­beitrag nannten die Putbusser „Beitrag für Musik“ und orien­tierten in den Reise­führern auf 15 Pfennige pro Person. Zahlten die Gäste nicht, musste der Ver­mieter diesen „Musik­groschen“ schließ­lich selbst ab­führen.

Das meist besuchte Ostsee­bad Binz orientierte sich, wie wir lesen, „an den Preisen in Swine­münde, Ahlbeck und Herings­dorf.“ Kur­direktor Oberst a. D. Seelmann ließ die Wochen­preise für die Aufent­halte von Besuchern genauestens auf­führen. Ein Gast zahlte bei einem Besuch bis zu einer Woche einen mode­raten Preis von 3 Mark; jede weitere Woche kostete ebenso viel. Und nur mit diesem Ticket durfte man beispiels­weise das Familien­bad besuchen, das mit einem „Kurkarten­zwang“ belegt worden war. Anders als das von dem Bau­meister Heinemann errichtete „neue prächtige Luft-, Sonnen- und Seebad“ am so genannten „Lido­strand“. Dort konnte man sich ohne Ein­tritt von den Stra­pazen des Alltags erholen oder ein­fach nur in neuestem Out­fit sehen lassen. So ver­sprach es jedenfalls der Autor in „Griebens Reise­führer“.

Andere Leistungen in Binz kosteten zusätz­lich Geld. Es war hier mit der Zeit ein sehr ausge­klügeltes System von Preisen und Ange­boten ent­standen, die es den Bade­gästen leichter machen sollten, sich auch spar­sam erholen zu können. Für die Strand­bäder löhnten die Bade­lustigen in der Kern­zeit zwischen 9 und 14 Uhr 50 Pfen­nige anstatt 20. Man konnte sogar Blocks zu 10 Karten erwerben und dabei 1 Mark sparen. Ein Abo wurde für den Besuch des „neuen Bades“ in Höhe von 60 Pfen­nigen ange­priesen. Den Strand­korb mietete man für 2 bis 4 Mark wöchent­lich.

Die Gebühren­liste, von der heutige Kur­direktoren noch etwas abschreiben könnten, beendet das Brücken­geld für die „Prinz-Heinrich-Brücke“. 10 Pfen­nige zahlten Schau­lustige, um die sehens­werte See­brücke zu betreten und der Ost­see noch ein Stück­chen näher zu sein. Auch diese Gebühr wird etwas in den Kur­haushalt einge­bracht haben, wenn man bedenkt, dass im Sommer 1914 gut 26.000 Bade­gäste in 20 Hotels und 160 Villen über­nachteten.

Der Fantasie zur Erhebung von ganz unter­schied­lichen Abgaben waren also schon in früheren Zeiten keine Grenzen gesetzt.

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Den Aufstieg der Seebäder auf den Insel Rügen und Hiddensee zeichnet der den Lesern der Ostsee-Zeitung durch seine histo­rischen Beiträge bestens bekannte André Farin in seinem gerade erschie­nenen Buch nach. Die Publi­kation ist an­spruchs­voll bebil­dert und infor­mativ.

Eckhard Oberdörfer, Ostsee-Zeitung